Ich habe mein Tagesmotiv: ein altes Fachwerkhaus, eine Keramikwerkstatt und die lebendige Stimmung eines Wochenmarkts. Obwohl ich versuche, nicht aufzufallen, bemerkt man mich. Ich bekomme einige Komplimente für meine Zeichnungen und Tipps für meine nächsten Motive.
Ich setze mich an das Ende der Brücke und vertiefe mich in die Zeichnung einer Hausfassade mit einem Gittermuster aus Balken. Neben mir ziehen vier Studenten aus.
An der Ecke dieses Hauses wachen eine Marienstatue und zwei Schilder „Einfahrt verboten“ in der brütenden Hitze über eine Kreuzung. Ich stehe alleine am Scheideweg. Die Einwohner des Viertels haben sich in ihre Wohnungen zurückgezogen.
An diesem erstaunlichen Bauwerk - dem ehemaligen Rathaus, an dessen Stelle im Mittelalter der Pranger stand - sieht man Plakate über Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Um mich herum schwärmt eine riesige Truppe Feuerwehrmänner in das Viertel aus - oder ist dies Teil eines Schauspiels?
Ich genieße vom Vorplatz der Hallen den einmaligen Blick auf den Platz. Die Leute auf den Caféterrassen unter mir haben mich nicht bemerkt. „Sehen ohne gesehen zu werden“ - es gibt keine bessere Methode, um die Seele einer Stadt zu erfassen.
Auf dem Rückweg verbringe ich eine halbe Stunde vor diesem alten Haus, das mir heute Morgen, bei meiner Ankunft, schon aufgefallen war. Die Farbnuancen und die Materialien sind wunderschön, aber mein Zug wartet nicht. Das ist aber nicht schlimm: Ich habe vor, mit einem Kasten Buntstifte nach Niort zurückzukehren.
Schreiben, Zeichnen, Erzählen - für Jean-François Gleyze sind Stift und Skizzenheft die besten Mittel, um Orte und Menschen zu erfassen.